Arbeitnehmerähnliche ...

Die Ausgleichszahlung

Kann ich? Darf ich? Will ich?
18.05.2021

Sendeplatz fällt weg! Sparmaßnahmen! Vielen Freien wird zur Zeit von Ihrer Redaktion ein deutlicher Auftragsrückgang angekündigt - ihnen droht eine sogenannte Einschränkungsmitteilung des Hauses.  Andere haben schon im letzten Jahr z.T. erhebliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssen und erinnern sich daran, dass es eine Ausgleichszahlung zur Abfederung dieser Verluste gibt. Gleichzeitig kursieren Gerüchte über immense Rückstellungen für zu erwartende Ausgleichszahlungen, die die ohnehin schon schmalen Programm-Etats noch schmaler werden ließen, was den einen oder anderen Redakteur schon mal veranlasst, von einer Inanspruchnahme von Ausgeichszahlungen abzuraten oder Gerüchte zu streuen, die einen Verzicht darauf angeraten erscheinen lassen: "Dann musst du natürlich damit rechnen, ganz gekündigt zu werden..."

Es scheint daher an der Zeit, dem Flurfunk ein paar Fakten gegenüber zu stellen.

Die rechtliche Grundlage ...

... für die sog. Ausgleichszahlung ist der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen, also die regelmäßig beschäftigten freien Mitarbeiter, die von Deutschlandradio wirtschaftlich abhängig und wegen Ihrer häufigen Beschäftigung sozial schutzbedürftig sind. Als solche arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiter stuft Deutschlandradio automatisch alle freien Mitarbeiter ein, die im vergangenen oder laufenden Jahr Urlaubsgeld (Ergänzungsurlaubszahlung reicht nicht aus!) vom Sender erhalten haben.

Wegen des besonderen Status dieser arbeitnehmerähnlichen Freien muss Deutschlandradio ihnen lt. Tarifvertrag die Beendigung oder eine "wesentliche Einschränkung der Tätigkeit" vorher schriftlich ankündigen, wobei die Frist für diese Ankündigung zunächst einen Monat beträgt, aber mit der Dauer der kontinuierlichen Beschäftigung, also des ununterbrochenen Haupturlaubsgeldbezugs des arbeitnehmerähnlichen Freien wächst auf

  • 2 Monate nach 2 Beschäftigungsjahren,
  • 3 Monate nach 3 Beschäftigungsjahren,
  • 6 Monate nach 6 Beschäftigungsjahren und
  • 12 Monate nach 10 Beschäftigungsjahren

Erfolgt keine Ankündigung einer Nicht- oder Minderbeschäftigung und der Freie stellt am Ende des Jahres fest, dass trotzdem eine "wesentliche Einschränkung der Tätigkeit" oder gar eine Beendigung der Tätigkeit erfolgt ist, kann er entsprechend der Länge der für ihn geltenden Ankündigungsfrist eine Ausgleichszahlung von Deutschlandradio beantragen.

Was eine "wesentliche Einschränkung der Tätigkeit" des freien Mitarbeiters ist, hängt lt. Tarifvertrag von der Abhängigkeit und damit Schutzbedürftigkeit des Freien ab: Im Normalfall liegt eine wesentliche Einschränkung vor, wenn die Deutschlandradio-Vergütung des Freien um mehr 25% sinkt; beziehen Freie aber "mehr als die Hälfte ihres Gesamtentgelts" allein vom Deutschlandradio, dann ist schon eine Minderung um mehr als 10% eine wesentliche Einschränkung - wobei in beiden Fällen natürlich eine zwischenzeitig evtl. erfolgte Tariferhöhung mit einzubeziehen ist. Die Einschränkung wird am Ende eines Jahres festgestellt.

Fristen und Prozente konkret - ein Beispiel:

Die arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin Sieglinde Nobody hat 2019 bei Deutschlandradio 20.000 € Honorar erarbeitet. Am Ende des Jahres 2020 hat sie jedoch festgestellt, dass Sie 2020 nur noch 12.000 € verdient hat. Also:

  • Vorjahreshonorare in 2019: 20.000,00 Euro
  • zwischenzeitliche Tarifsteigerung (4,5 %, am 1.4.2020): 900,00 Euro
  • bereinigter Vorjahresverdienst 2019: 20.900,00 Euro

 

Fall 1

Sieglinde Nobody arbeitet nur gelegentlich für Deutschlandradio

Sie hat noch eine kleine Plattenfirma und bei anderen Rund­funk­anstalten noch zahlreiche andere Abnehmer für ihre aktuellen Radio-Berichte. Deshalb verdient sie weniger als 50% ihres Einkommens bei Deutschlandradio. Ihr Einkommen hier darf also ohne Ausgleichszahlung um bis zu 25% sinken:

  • 75 % des bereinigten Vorjahresverdiensts: 15.675,00 Euro
  • Jahresverdienst 2020: 12.000,00 Euro
  • Differenz: 3.675,00 Euro

fällige Ausgleichszahlung entsprechend der
Ankündigungsfrist bei kontinuierlicher
Urlaubsgeldzahlung seit

  • 10 Jahren (100%): 3.675,00 Euro
  • 6 Jahren (50%):     1.837,50 Euro
  • 3 Jahren (25 %):       918,75 Euro
  • 2 Jahren (2/12):         612,50 Euro
  • einem Jahr (1/12):     306,25 Euro

 

-

 

Fall 2

Sieglinde Nobody arbeitet überwiegend für Deutschlandradio

Ihre Plattenfirma ist immer ein Plan geblieben und bei anderen Rund­funkanstalten findet sie leider nur wenige Abnehmer für ihre aktuellen Berichte. Daher verdient sie mehr als 50 % ihres Einkommens bei Deutschland­radio. Ihr Einkommen hier darf also ohne Ausgleichszahlung nur um bis zu 10% sinken:

  • 90 % des bereinigten Vorjahresverdiensts: 18.810,00 Euro
  • Jahresverdienst 2020: 12.000,00 Euro
  • Differenz: 6.810,00 Euro

fällige Ausgleichszahlung entsprechend der
Ankündigungsfrist bei kontinuierlicher
Urlaubsgeldzahlung seit

  • 10 Jahren (100%): 6.810,00 Euro
  • 6 Jahren (50%):     3.405,00 Euro
  • 3 Jahren (25%):     1.702,25 Euro
  • 2 Jahren (2/12):      1.135,00 Euro
  • einem Jahr (1/12):     567,50 Euro

 

 

Man sieht: Die Höhe der Ausgleichszahlung kann erheblich variieren und es lohnt sich der ganze Aufwand sicherlich nicht für nur wenige Euro. Auf der anderen Seite sollte man auf eine berechtigte Ausgleichszahlung in relevanter Höhe nicht verzichten, weil sonst der Anspruch von Jahr zu Jahr weiter abschmilzt oder ganz entfällt.

 

 

Wie stelle ich mein Jahreseinkommen fest?

Vertragsausschnitt

Um die anrechenbaren Jahreseinkünfte für die Ausgleichszahlung zu ermitteln, werden alle Brutto-Gesamtvergütungen (inkl. Online-Zuschlag, EP-Zuschlag, Urlaubsgeld, Mutterschutzgeld, Tarifliche Sonderzahlung, etc.) zusammengerechnet, wenn die jeweilige Vertragszeit in das betreffende Jahr fällt. Kostenerstattungen wie z.B. Reisekosten werden nicht mitberechnet. Sonderfall 2020: Die Tarifliche Sonderzahlung i.H.v. 930 € mit Vertragsdatum 31.12.2021 wird abweichend davon NICHT im Jahr 2020 angerechnet.

 

 

Wann und wo muss ich die Ausgleichszahlung beantragen?

Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ausgleichszahlung werden jeweils mit Ablauf eines Kalenderjahres festgestellt - und nur, wenn die/der Mitarbeiter/in einen Antrag stellt. Dafür ist sechs Monate Zeit bis zum 30.6. des Folgejahres (für das Jahr 2020 läuft die Frist also am 30.6.2021 aus). Wenn Deutschlandradio eine Einschränkungsmitteilung geschickt hat, ist ein Antrag nicht erforderlich. Deutschlandradio muss in diesem Fall von sich aus ausgleichen.

Den Antrag auf Ausgleichszahlung gibt man entweder persönlich in der Abteilung Honorare ab oder schickt ihn per Einwurf-Einschreiben an: Deutschlandradio, Ressort Honorare, Raderberggürtel 40, 50968 Köln. Eine Redaktion muss man nicht involvieren.

Und dann?

Dann wird der Antrag hoffentlich korrekt geprüft und die dem Freien zustehende Ausgleichszahlung geleistet. Deutschlandradio kann eine Ausgleichszahlung verweigern, "wenn der Mitarbeiter die Beendigung oder Einschränkung der Tätigkeit selbst vorsätzlich verursacht hat", z.B. wenn er/sie "zeitlich und fachlich zumutbarer Tätigkeiten", die ihr/ihm angeboten wurden, abgelehnt hat.

Deutschlandradio wird, um sich ggf. vor einer weiteren Ausgleichszahlung im kommenden Jahr zu schützen, wahrscheinlich vorsorglich eine Ankündigung der Minderbeschäftigung ("Einschränkungsmitteilung") verschicken. Diese Mitteilung hat allerdings auf die tatsächliche Beschäftigung keinen Einfluss.

Natürlich erfahren auch die Redaktionen vom Antrag auf Ausgleichszahlung. Davon sollte man sich allerdings nicht einschüchtern lassen. Jemanden wegen eines Antrags auf Ausgleichszahlung nicht mehr zu beschäftigen, wäre ein eklatanter Bruch des Tarifvertrags.

Wer hilft mir?

ver.di berät ihre Mitglieder gerne und helfen bei Problemen und der Durchsetzung der Ansprüche. Notfalls auch mit Rechtsbeistand! Hier findest Du Deine Ansprechpartner:

 

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